Emotionale Masken

By | 30. September 2014

Im Alltag merkt man vielleicht immer wieder, dass man selbst (oder andere Menschen) andere Gefühle zeigen als die, die „wirklich“ empfunden werden. Ich habe mal einige gesammelt und überlegt, was jeweils gezeigt wird, um etwas anderes zu verbergen oder zu ersetzen. Meist machen das Menschen ja aus sozialer Erwünschtheit heraus, selten kalkuliert und meist unbewusst.

1) Wut, um Angst zu verschleiern

Ich habe oft erlebt, wie andere wütend waren, obwohl sie eigentlich Angst hatten. Die Wut erkannte ich am Gesichtsausdruck (Augenbrauen), am Tonfall (laut, anklagend, gestresst) und am Gesagten (Vorwürfe, Sorgen). Die Angst erkannte ich eher indirekt (Stress, Fragen und Vorwürfe, die Sorgen tarnten bzw. auch ausdrückten, Unruhe). Ich glaube, Angst wird oft als Wut geäußert.

2) Lächeln, um Trauer zu verbergen

Jemand grinst, um stark zu wirken oder um die eigene Traurigkeit zu lindern. Es gibt, glaube ich, eine Facial-Feedback-Hypothese, die besagt, dass man (genau die gleichen Dinge) anders empfindet, je nach dem, welchen Gesichtsausdruck man währenddessen trägt. Typischerweise lässt man die „Lustigkeit“ von Comics bewerten, während die eine Gruppe einen Stift quer in den Mund nimmt (das simuliert ein Lächeln), eine andere Gruppe nimmt die Spitze in den Mund und soll die Stirn runzeln (Vergleichsbedingung). Die Gruppe der „Lächler“ soll die Comics wirklich lustiger finden als die andere Gruppe – weil sie den passenden Gesichtsausdruck dazu hatten. Daher ist es vielleicht nicht ganz so unplausibel, mit einem Lächeln die eigene Trauer sowohl zu verbergen als auch zu verändern.

3) Verlegenheitslächeln

Jemand kennt die Antwort auf eine Frage nicht, hat was vergessen oder akustisch nicht verstanden. Dann lächeln die Leute oft. Vielleicht verbirgt oder lindert das Schamgefühle.

4) Lachen um Verzweiflung zu ersetzen

Wenn eine Situation zu absurd ist oder zu viel Verzweiflung verursacht, gibt es bestimmt Menschen, die dann lachen. Allerdings ist das ein „irres Lachen“, was Verzweiflung tarnt. Es gibt wohl auch die Variante, dass Lachen Hochmut ausdrückt.

5) Trauer um Wut zu ersetzen

Ich kenne Menschen, die traurig werden, statt wütend. Sie fühlen sich schlecht, statt den Anderen (der sie verletzt hat) aus psychohygienischen Gründen zu verurteilen. Manchmal denke ich, dass sie sich selbst Wut verbieten. Vielleicht wurden sie auch so erzogen; Wut = böse, schlimm, unangenehm, Trauer = sieht keiner, angebracht, Ersatz für Wut.

6) Ekel um Faszination zu verbergen

Ekel, Grusel, Abscheu, Abneigung, Verurteilung, Verachtung kann manchmal Ersatz für „eigentliche“ Faszination sein. Morbide, teils voyeuristischer Genuss (Dschungelcamp, DSDS, Supernanny, BILD…). Witzigerweise war meine eigene „Abscheu“ damals eigentlich Faszination (im Jahre 2006, ich erfuhr, dass ein Bekannter Psychologie studiert und ich hätte wohl nie zugegeben, dass ich selber starkes Interesse an psychischen Phänomenen habe; Grusel war dann eher angebracht).

7) Überraschung um Verachtung zu ersetzen

Ich hebe manchmal die Augenbrauen (andere zeigen Verwirrung oder schweigen), wenn ich verbergen möchte, dass ich das Argument eines Gegenübers für Quatsch halte. Gehobene Augenbrauen, schiefes Grinsen, schweigen. Das führt auch meist zu einer Reaktion oder Rechtfertigung des Mitmenschen.

8) Aggression, um Depression zu verbergen

Ich hab Menschen getroffen, die ungewöhnlich aggressiv und urteilend waren. „Alles ist scheiße“, „keiner kümmert sich mehr um die Umwelt“, „den Leuten ist alles egal“ usw. Ich vermute, dass Aggressivität dazu dienen kann, Depressionen zu tarnen. Das verurteile ich keineswegs; ich habe es nur beobachtet. Aggressive Menschen sind ja eigentlich nicht glücklich. Ein augenscheinlich wütender Dauer-Gesichtsausdruck ist dann womöglich ein Stellvertreter für Unzufriedenheit oder Depressionen. Um das zu verifizieren oder zu falsifizieren, muss man allerdings die Menschen besser kennen lernen.

Kennt ihr weitere Beispiele?

4 thoughts on “Emotionale Masken

  1. Antonia

    Ich glaube, mich gerade dabei ertappt zu haben, dass ich Wut verberge, indem ich eine Person immer mit Liebe bewerfe.
    Ich komm noch nicht ganz dahinter, aber Wut erlaube ich mir sonst auch nie.

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  2. Pingback: Lachen - Institut für Lebenskunde

  3. Sarah-Maria Harnischfeger

    Liebe Lea,
    ich schreibe gerade eine Bachelor-Arbeit über Masken. Dürfte ich fragen, ob du für diesen Artikel ein Buch oder eine andere Quelle zur Hand hattest, die du mir nennen kannst?

    Liebe Grüße!

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  4. Ulrike

    Hey Lea,
    ich bin noch dabei mir Lachen, anstelle von Trauer empfinden und zeigen, abzugewöhnen. Lachen, anstelle vom zeigen das mit etwas unangenehm ist, abgewöhnen stellt sich als viel schwieriger heraus. Traurig sein, weil Wut und Aggression Scheiße erscheinen kenne ich auch. Ziemlich interessant und gut um andere besser zu verstehen!

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